Henri Rossier
Die Klagelieder entstanden anlässlich der Einnahme und Zerstörung Jerusalems durch die Heere Nebukadnezars. Unvorstellbares Leid hatten die Juden damals zu erdulden. Doch Gott blieb die Zuflucht derer, die sich vor ihm beugten. - Diese im Jahr 1918 geschriebene Auslegung hilft, das zu Herzen gehende Buch der Klagelieder besser zu verstehen.
... Das 2. Kapitel der Klagelieder enthält – durch den Mund des Propheten – eine detaillierte Beschreibung der Gerichte, die Juda und Jerusalem getroffen haben. Die Aufzählung dieser Gerichte stellt eine gewisse Abstufung dar, vor allem aber findet man das Bewusstsein, dass Gott der Feind seines Volkes geworden ist. Es sind nicht, wie in Kapitel 1, die feindlichen Nationen, die sich gegen Jerusalem erhoben haben; es handelt sich nicht mehr um die Werkzeuge, deren sich Gott bedient, um das Gericht auszuführen. Er allein ist es, der alles getan hat: die Gedanken konzentrieren sich auf Ihn. Deshalb treffen wir in diesem Kapitel beständig den Ausdruck «der Herr» an. Wie das erste Kapitel, so gliedert sich auch das zweite in drei Teile.
Im ersten Teil erhebt der Prophet seine Stimme, um den Ruin Jerusalems in allen Einzelheiten zu schildern. In gewisser Weise ist das schon eine Erleichterung. Der Prophet sagt nicht, wie Jerusalem in Klagelieder 1,22: «Lass ihre Bosheit vor dein Angesicht kommen», sondern er erkennt an, dass alles von Ihm kommt, von Ihm allein. Deshalb findet man in diesen Versen so häufig das Wort «Er». Was auf Jerusalem lastet, ist der Zorn Gottes (Klagelieder 2,1.3.4.6). Er ist es, der sein eigenes Werk zerstört: Tempel, Altar und Stadt, den Ort seines Thrones, die zivile und religiöse Gewalt, Sabbate und Festversammlungen, Ruhe und Freude seines Volkes, auf dessen Haupt der Fluch des Gesetzes lastet ...
Eigenschaften | |
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Format | Taschenbuch |
Seitenzahl | 63 Seiten |